Chile ist nicht nur ein naturräumlicher Schatz, sondern auch ein kultureller. Ob Aymaras in der Atacama-Wüste, die Rapa-Nui auf der Osterinsel oder die Mapuche in Araukanien – mit ihren
zahlreichen indigenen Gemeinden liegen die Wurzeln der chilenischen Gesellschaft tief.
Die kulturellen Anfänge Chiles
Aus europäischer Sicht beginnt die Erzählung der Geschichte Chiles oft mit der Ankunft der Spanier. Doch liegen die Ursprünge der Gesellschaftsstrukturen viel weiter zurück. Das chilenische
Territorium ist bereits seit etwa 14.500 Jahren vor Christus bewohnt. Zahlreiche Ethnien prägten sich aus und entwickelten ureigene Riten und Weltanschauungen. Ob
Aymaras in der Atacama-Wüste, das Fischervolk der Changos an der Pazifikküste oder die Rapa-Nui auf der Osterinsel, ob Mapuche
in Araukanien, Huiliche auf Chiloé oder die Nomaden der Selk’nam auf Feuerland – die kulturellen Wurzeln Chiles sind tief.
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Zwischen Reichtum und Armut
Die Volksgruppen unterscheiden sich in ihren Sprachen, Lebensweisen und Glaubensgrundsätzen, ihrer Kleidung, Kunst und Architektur. Gemein ist ihnen meist die starke Verbundenheit zur „Pachamama“, der Mutter Erde – und mittlerweile auch die Armut, die geringeren Bildungschancen und die Arbeitslosigkeit. Das einmalige Kulturgut kann oft nur noch im Ansatz rekonstruiert werden. Denn die Indigenen Chiles sind bedroht, benachteiligt, verdrängt – oder tot.
Der Ruf der Mapuche
Von den zahlreichen indigenen Stämmen und Untergruppierungen werden vom chilenischen Staat in der Gegenwart zehn Ethnien anerkannt. Alle anderen wurden im Laufe der Zeit zurückgedrängt, enteignet, systematisch ermordet. Nur knapp 13% der chilenischen Bevölkerung definiert sich aktuell als indigen. Der Großteil wird von dem Volk der Mapuche, den „Menschen der Erde“ vertreten. Sie gelten historisch als gefürchtete, disziplinierte und organisierte Krieger*innen. Die Inkas verzweifelten an ihnen, und die Mapuche konnten sich auch gegenüber den spanischen Eroberungsversuchen behaupten – ein wahrliches Alleinstellungsmerkmal. Heute ist es der chilenische Staat, der sich an der Hartnäckigkeit der Mapuche die Zähne ausbeißt.
Chiles Indigene am Scheideweg
Nachdem Chile die Unabhängigkeit erlangt hatte, begann der junge Staat, indigene Gemeinden Schritt für Schritt zu enteignen, um das riesige Land nutzbar zu machen. Im tiefen Süden wurden die Selk’nam gar in Form eines Genozids durch Schafzüchter und Goldsucher quasi ausgelöscht. Die Assimilationspolitik im 19. Jahrhundert und während der Militärdiktatur unter Pinochet (1973-1990) drängten die Indigenen fast vollständig zurück. Mit der Rückkehr zur Demokratie nahm der chilenische Staat eine aufgeschlossenere Haltung gegenüber der Ursprungsbevölkerung ein. Aber Landrechtskonflikte, nationale Großprojekte und ganz grundsätzliche Differenzen vergiften den Austausch. So bleibt das Verhältnis zwischen Staat und Indigenen zerrüttet. Vor allem die Mapuche fordern lautstark und tatkräftig die Rückgabe von Land und die Anerkennung ethnischer Lebensformen, mehr Unabhängigkeit und auch die Freilassung inhaftierter Angehöriger. Mit Überfällen und Brandstiftungen unter anderem auf Forstbetriebe, Großgrundbesitzer und staatliche Institutionen machen sie auf ihre Forderungen aufmerksam – und verschärfen den Konflikt.
Neue Chancen und tiefe Gräben
Mit dem Antritt der Regierung unter Gabriel Boric 2022 intensivierte sich das Bestreben eines friedlichen Dialogs. Und auch der erste Entwurf einer neuen Verfassung entstand mit starker Beteiligung indigener Vertreter*innen. So mögen sich die Voraussetzungen für eine nachhaltige Annäherung verbessert haben. Doch halten die aggressiven Übergriffe an, das Misstrauen sitzt tief. Es bleibt ein langer Weg zum gesellschaftlichen Frieden – mit vielleicht unauflösbaren Differenzen.
Informationen zu geführten Touren zu Indigenen-Gemeinden auf dem Altiplano, bei San Pedro de Atacama oder bei Pucón können Sie über unser Kontaktformular erfragen.